Simon Hörsch
Heute gibt es Halbjahreszeugnisse
Eine kleine Geschichte dazu von Christine Nöstlinger
Es war einmal eine Hasenmutter, die bekam jedes Jahr sieben Hasenkinder.
Als ihr allererster Wurf in die Schule kam und dort tagtäglich mit nichts als roten "sagenhaft ungenügend" und "mangelhaft unbefriedigend" unter den Schularbeiten heimkehrte, war sie total erschüttert, wütend und böse, zog die armen Junghasen an den Löffeln und kniff sie strafweise in die Stummelschwänze. Als es ihrem nächsten Hasenwurf in der Hasenschule nicht anders erging, war sie nicht mehr so erschüttert. Aber böse und wütend war sie schon, zog wieder an den Löffeln und zwickte in die Stummelschwänze. Beim schulischen Mißerfolg ihres dritten Wurfs war sie an die vielen ""sagenhaft ungenügend" und "mangelhaft unbefriedigend" schon so gewöhnt, dass sie nur noch an den Löffeln zog und sich das Stummelschwanzkneifen ersparte. Im Jahr darauf, als ihr vierter Wurf mit abscheulich miesen Zensuren aus der Hasenschule heimgehoppelt kam, sprach sie in aller Seelenruhe: "Hauptsache, die Kinder sind gesund!".
So geht es im Leben. Nicht nur bei Hasen, auch bei Menschen. Aber welches Kind hat schon das Glück, das achtundzwanzigste einer lernfähigen Mutter zu sein?
Quelle: Das große Nöstlinger-Lesebuch, S. 159-196, erschienen bei Beltz&Gelberg, 1996